F | D

Der Rosshof (Basel)

Nathalie Wüthrich (2025)

Wer heute vom Rosshof spricht, denkt meist an das moderne Gebäude am Petersgraben 49-51. Ursprünglich umfasste diese Seite die Hausnummern 47 bis 55; doch bis auf die heute bestehenden Nummern wurden die übrigen aufgegeben.

Der Rosshof ist Teil des größeren Rosshof-Areals, zu dem auch Rosshofgasse 2 und Nadelberg 20 gehören. Damit wird der tagsüber öffentlich zugängliche Innenhof im Osten (Nadelberg), Süden (Rosshofgasse) und Westen (Petersgraben) von diesen Gebäuden und Mauern umschlossen. Auf der Nordseite begrenzen die benachbarten Parzellen das Areal.

Vom Gesamtareal ist nur noch das Wohnhaus Nadelberg 20, der sogenannte Vordere Rosshof, erhalten. Die Stallungen (Nadelberg 22), Remisen und Magazine (Rosshofgasse 4-6) sowie der Hintere Rosshof (Rosshofgasse 8) wurden abgetragen.


Orientierungshilfe im Rosshof-Areal

  • „Rosshof-Areal“ = Gesamtkomplex
  • „Vorderer Rosshof“ = Nadelberg 20 (auch Alter Rosshof: Osten)
  • „Neuer Rosshof“ = Neubau Petersgraben 49–51 (Westen)
  • „Schnitz“ = neues Seminargebäude Rosshofgasse 2 (Südosten)

Nicht mehr vorhanden:

  • „Hinterer Rosshof“ = Rosshofgasse 8 (Süden)
  • „Stallungen“ = Nadelberg 22 (Osten)
  • „Remisen und Magazine“ = Rosshofgasse 4-6 (Süden)

Kontext

Das Areal Rosshof weist eine vielschichtige Vergangenheit auf, die in Ausgrabungen in den 1980ern freigelegt wurden. An der Ost- und Südseite konnte eine Siedlungstätigkeit über verschiedenste Zeiträume nachgewiesen werden. Während sich die frühesten Gebäudespuren des 10./11. Jh. in der Ecke Nadelberg/Rosshofgasse befanden, konzentrierten sich jene aus dem 13. Jh. hauptsächlich an der Rosshofgasse. Diese Häuser dienten Wohn- wie auch gewerblichen Zwecken. Funde aus Metallbrocken, Schlacken und anderen Entdeckungen legen eine Nutzung für metallverarbeitendes Gewerbe nahe.

Die Nutzung des Hauses an der Rosshofgasse 8 ist nicht abschliessend geklärt. Im 16. und 17. Jh. wurde es als Scheune bezeichnet, vielleicht war es ursprünglich ein mittelalterliches Wohnhaus an der Stadtmauer – ähnlich wie der Bärenfelserhof am Petersgraben 35.

Eine weitere wichtige Informationsquelle ist eine in das 15. Jh. datierende Brandschicht, die ferner durch archäobotanische Befunde einen Einblick in die Verwendung verschiedener Getreide- und Pflanzenarten ermöglicht.

Während Nadelberg 20 allgemein als Wohnhaus genutzt wurde, verloren die übrigen Gebäude allmählich ihre Bedeutung – Stallungen und Remisen dienten am Ende ausschliesslich gewerblichen Zwecken. Ein Brand 1956 verhinderte die Weiternutzung der ehemaligen Stallungen. Später erwarb ein privates Unternehmen den Rosshof zusammen mit weiteren Bauten, jedoch regte sich Widerstand in der Bevölkerung gegen den geplanten Bau eines Parkhauses. 1 Zu Abbrucharbeiten kam es dennoch: 1962 wurden die noch stehenden Gebäude bis auf Nadelberg 20 abgerissen und das freistehende Gelände als Parkplatz nunmehr für Stahlrosse genutzt.

1964 kaufte die Stadt Basel das Areal und schrieb 1978 einen Wettbewerb zu dessen Umgestaltung aus, der 1980 in einen Projektwettbewerb zwischen den ersten fünf Plätzen mündete. 

Der Vordere Rosshof: Nadelberg 20

Das Areal wird erstmals 1335 in einer Urkunde erwähnt; der Name Sintzenhof erscheint 1339 mit dem Besitzer Cuntzman Sintz auf. Der Ursprung des Namens Rosshof ist allerdings unklar, er ist 1720 erstmals belegt. 

Überreste frühester Steinbauten datieren in das 14. Jh., spätere Erweiterungen folgten 14./15. Jh. Bedeutende Umbauten fanden im 16. Jh. statt, bevor der Vordere Rosshof im 18. Jh. sein heutiges Aussehen erhielt. Dieses verdankt er seinem damaligen Besitzer Hieronymus Staehelin, Eisenwarenhändler, der 1781 den Rosshof erwarb. Staehelin beherbergte 1795 den französischen Abgesandten François de Barthélemy 2, der mit Preussen und Spanien Friedensverträge verhandelte. Benedikt La Roche (1802-1876) bewohnte ab den 1840er Jahren das Haus, in dem sich heute Mietwohnungen und der Cliquenkeller der „Die Aagfrässene “ befinden.

Der Neue Rosshof: Petersgraben 49-51

Der Siegerentwurf des Architektenteams Joachim Naef, Ernst Studer(1931-2001) + Gottfried Studer, Zürich wurde dem Stimmvolk zur Genehmigung des Kredits vorgelegt. Nach Annahme begannen 1984 die Bauarbeiten und zu Beginn des Jahres 1988 konnte die Universität die Räumlichkeiten beziehen. 

Von Beginn an bestand die Idee eines architektonischen Raumes, der die beiden Bereiche Privat und Öffentlich verbindet: in den oberen Etagen befinden sich Wohnungen und in den unteren Universitätsräume 3.

Die rote Sandsteinfassade (Schild) am Petersgraben soll eine Reminiszenz an die ehemalige innere Stadtmauer (13. Jh.) 4darstellen. Teile wurden schon zuvor bei Platzbedarf abgetragen und anderweitig genutzt; ein Schalenturm ist noch erhalten (Petersgraben 45: Lernoullianum). 

Das Wohnhaus am Nadelberg 20 wurde archäologisch untersucht, umgebaut und restauriert. Grundlage erarbeiteten Naef, Studer + Studer; die Weiterentwicklung und Realisation des Projektes übernahm Architeam 4, Basel (H. R. Engler, Architekt).

Nachdem das Wirtschaftswissenschaftliche Zentrum (WWZ) 2009 seinen Sitz in das Jacob-Burckhardt-Haus beim Bahnhof SBB verlegte, beherbergt der moderne Rosshof seit 2010 das Departement Altertumswissenschaften.

Kunst

Drei Künstler wurden in die Planung des Neuen Rosshofs einbezogen, da Kunst aus Sicht der Architekten nicht einfach schmückendes Beiwerk, sondern inhärenter Teil der Architektur sein sollte. 

  • Owsky Kobalt (1937-2019): gestaltete die Skulptur Visier des Treppenzylinders in der Eingangshalle, die zur Bibliothek der Altertumswissenschaften führt. Im Zylinder gehen links und rechts zwei Treppen um eine Säule, deren Beton durch Marmorplatten geteilt und verkleidet ist. Die Innensäule besteht aus zwei Teilen mit einem schmalen Sichtschlitz; die Schnittseiten sind mit weissem Marmor verkleidet.
  • Bruno Gasser (1947-2010): gestaltete die integrale Farbgestaltung der Wände. Anstelle eines kunstvoll inszenierten Wandgemäldes präsentiert er mit seiner Farbgestaltung den Rosshof in einem strahlenden Weiss. Damit rückt Gasser die Architektur in den Vordergrund 5.
  • Hannes Vogel (1938-2023): Im Hofboden verlaufen marmorne Bänder mit Bronzenamen, die an konzentrische Wellenbewegungen des Wassers erinnern, ausgehend vom Seminargebäude, das Vogel als ins Wasser geworfenen Stein auffasste. Zum Werk Arion, Omar, Schwarzer Teufel, Silberpfeil gehören Messingtafeln mit Pferdenamen an der Nordmauer der oberen Hofhälfte, die an ihre mythische, historische und literarische Herkunft verweisen.

Werke, die nach der Umgestaltung und Neubebauung des Rosshof-Areals dazukamen:

  • Hubertus von der Goltz (1941-): 1994 installierte der Künstler im Rahmen der Ausstellung „Kunst im Rosshof“ seine Skulptur Balance – Konzentration und Wagnis auf dem Schild. Sie zeigt einen Mensch, der auf einem Balken balanciert und weist auf den Balanceakt zwischen den verschiedenen Spannungsfeldern rund um den Neuen Rosshof hin.
  • Elisabeth Barbara Masé (1959-): Die Causa Sui VI und Causa Sui VII der Basler Künstlerin sind wieder an ihrem ursprünglichen Platz: in den beidseitigen Nischen beim Eingang zur Bibliothek. Gezeigt werden geometrische Figuren, Architekturelemente auf blauem Hintergrund: Raum und Körper sind gebunden, aber frei zueinander. Masé nahm bereits 1994 mit einem Werk ohne Titel an der Ausstellung „Balance“ teil 6.

Fundstücke

  • An der Stirnseite der Hofmauer in der Rosshofgasse ist eine rote Sandstein-Darstellung eingelassen. Darunter steht auf einer Tafel: René Juillet 1913-1954. Gefunden im alten Rosshof. Das Relief stellt ein sitzendes Pferd dar, das linke Vorderbein zum Kopf gehoben; darunter eine rechteckige Fläche mit drei Kreisen: ursprünglich war dort der Klingelgriff befestigt. Das Relief stellt den Stallwächter dar, der die Glocke hütete.
  • Über dem Durchgang vom Nadelberg zum Hof ist seit 2018 wieder der Pferdekopf eingelassen, der als Torwächter für die Stallungen diente. Auf früheren Aufnahmen des Alten Rosshofs ist er ebenfalls an dieser Stelle zu sehen, verschwand jedoch während der Abbrucharbeiten.

Einzelnachweise

  1. Aktion Nadelberg 1962: Lucius Burckhardt (1925-2003) organisierte zusammen mit Studierenden einen Protestspaziergang gegen den geplanten Abbruch. Am Spaziergang nahmen schliesslich rund 5000 Menschen teil.
  2. {{dhs:044887}}Frieden von Basel{{/dhs}}:
  3. Die Universität führte ab 1965 Gespräche mit der Stadt über eine mögliche Nutzung des Areals: einerseits aufgrund der räumlichen Nähe zum Kollegiengebäude, andererseits erforderte das kontinuierliche Wachstum der Universität eine räumliche Erweiterung für Lehre und Forschung
  4. Ersetzte die Burkhardschen Stadtmauer (11. Jh.), Erbauer war{{dhs:012601}}Burkhard von Fenis{{/dhs}} (1040-1107), Bischof von Basel
  5. 5.  Nach Regula Gasser (persönliche Mitteilung 2025) gehören dazu Stahl-Hocker, die ebenfalls von Bruno Gasser entworfen wurden.
  6. i.e. Kunst im Rosshof, s. Einleitung Ausstellungskatalog

Autor*in der ersten Version: Nathalie Wüthrich, 05/09/2025

Archivbestände

Staatsarchiv Basel-Stadt:

  • ED-REG 1f 2-0-0-4 (1) 5
  • BD-REG 12d 938-2 (4)
  • PD-REG 1c 16 (1) 760

Bibliografie

Persönliche Korrespondenz (Juli-September 2025)

  • Regula Gasser
  • Selma Lauren Schaffner, Galerie Mueller
  • Andrea Amrein, BVD Basel-Stadt, S&A, Gebäudemanagement, Kunstunterhalt (Bericht von lic. phil. MAS Katharina Dunst, Basel)
  • Dr. phil. Christoph Manasse, Planarchiv, Erschliessung, AV-Medien, Staatsarchiv Basel-Stadt, Präsidialdepartement
  • Dr. Martin Möhle, Leiter Inventarisation und Dokumentation, BVD Basel-Stadt, S&A, Kantonale Denkmalpflege (Zeitungsauschnitt Rosshof ohne Stallungen)
  • Eva Müller, I&D-Spezialistin (MAS IS), Co-Leitung Bibliothek, Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA)


Für ihre freundliche Unterstützung danke ich ebenfalls Susanne Grulich (Universitätsarchiv Basel), Claudia Geissmann (Kunst Universität Basel), Jasmine Brüderlin (Staatsarchiv Basel-Stadt), Stefan Setz (Historisches Museum Basel), Isabel Fluri (Kunskredit Basel-Stadt), Michelle Bachmann (Bau- und Verkehrsdepartement Kanton Basel-Stadt) sowie Sven Billo (Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt).


Literatur

Zeitungen

Onlinequellen

Sonstiges

  • Infotafel zum Torwächter im Hofdurchgang Nadelberg
  • Infotafel zum Stallwächter, Rosshofgasse

Bildnachweis

Ausschnitt Hof, Pferdename "Jolly Jumper" in einem marmornen Band

Zitiervorschlag

Nathalie Wüthrich, «Der Rosshof (Basel)», Lexikon des Jura / Dictionnaire du Jura (DIJU), https://dictionnaire-du-jura.ch/d/notices/detail/1004042-der-rosshof-basel, Stand: 01/12/2025.

Nathalie Wüthrich (2025)

Kürzlich gelesene Artikel

Wir verwenden Cookies, um Ihre Erfahrung auf unserer Website zu verbessern. Wenn Sie weiter surfen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden.